<153>

Der kaiserliche Hof wollte Sachsen auf seine Seite ziehen und versprach, öie Wahl von Augusts Sohn auf den polnischen Thron mit Waffengewalt zu unterstützen, vorausgesetzt, daß er das von Karl VI. erlassene Hausgesetz garantierte, das als Pragmatische Sanktion1 in Europa so wohlbekannt ist. August III. hatte Glück: die Kaiserin von Rußland warf sich zu seiner Beschützerin auf, da sie fürchtete, Stanislaus Leszczynski2 werde sonst unter Ludwigs XV. Beistand wieder den polnischen Thron besteigen. Von allen Bewerbern um die Krone Polens war Stanislaus für Preußens Interessen der annehmbarste. Frankreich versuchte den König zum Einmarsch von Truppen in Polnisch-Preußen zu bewegen. Er sollte das Land in Sequester nehmen, wie er es früher mit Pommern getan hatte3. Aber Friedrich Wilhelm wollte nichts auf den Zufall ankommen lassen. Er fürchtete, sich in einen Krieg zu verwickeln, der ihn zu weit führen konnte und seine Streitkräfte nach einer anderen Richtung abgelenkt hätte, während der Kurfürst von der Pfalz, der kränklich und bereits hochbejahrt war, vielleicht starb4. Er hielt seine Anrechte auf die Erbfolge in Jülich5 für wohlbegründet und die Unternehmung gegen Polnisch-Preußen für rechtswidrig.

Der polnische Wahltag, der in Warschau zusammentrat, erwählte Stanislaus einstimmig zum König von Polen, trotz der Ränke des Wiener und Petersburger Hofes und trotzdem österreichische und russische Heere die Republik bedrohten. Einige Woywoden, die zu Sachsen hielten, gingen über die Weichsel nach dem Dorf Praga, versammelten sich dort in einem Gasthaus und wählten Kurfürst August von Sachsen zum König. Daraufhin rückten die moskowitischen Truppen gegen Warschau vor. Auf die Ruhe folgte der Sturm. Stanislaus stieg zum zweitenmal von Polens Thron, auf den ihn die Stimme einer freien Nation berufen hatte, und floh nach Danzig, wo Münnich ihn mit den Russen und Sachsen belagerte (1734). Eine polnische Dame namens Massalska feuerte den ersten Kononenschuß vom Wall auf die Belagerer ab, um die Bürgerschaft zu heldenmütiger Verteidigung fortzureißen. Ludwig XV. schickte seinem Schwiegervater drei Bataillone zu Hilfe: zu spät, um Dan zig zu retten, doch früh genug für das Unheil, das ihrer harrte. Ihr Führer, Marquis Plélo, fiel. Die drei Bataillone, die auf einer Insel gelandet waren, konnten ihre Schiffe nicht wieder erreichen. Da es ihnen an Lebensmitteln fehlte, wurden sie gefangen genommen und nach Petersburg gebracht.

Hierauf griffen die Russen die Befestigungen auf dem Hagelsberg an, wobei sie 4 000 Mann verloren. Die Stadt, die von inneren Zwistigkeiten zerrissen war und sonst keine Hilfe mehr zu erwarten hatte, stand dicht vor der Kapitulation. In allerletzter Stunde, am Vorabend der Übergabe, ergriff Stanislaus die Flucht. Unter-


1 Die Pragmatische Sanktion vom 12. April 1713 bestimmte die weibliche Erbfolge und die Unteilbarkeit der österreichisch-ungarischen Monarchie.

2 Vgl. S. 107.

3 Vgl. S. 123 s.

4 Karl Philipp, der letzte männliche Sproß des Hauses Neuburg, starb erst 1742.

5 Gemeint ist Berg (vgl. S. 121). Auf Jülich hatte Friedrich Wilhelm im Berliner Vertrage von 1728 verzichtet.